ALBERTINA-Jahresprogramm und Update Klosterneuburg
Eröffnung ALBERTINA KLOSTERNEUBURG
ALBERTINA KLOSTERNEUBURG: Inhalt und Positionierung
Es ist das oberste Ziel eines Museums, seine Werke, soweit sie für die Gesellschaft und die Zeit relevant sind, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Diesem Ziel fühlt sich die ALBERTINA mehr als jedem anderen verpflichtet.
Die ALBERTINA ist als eines der bedeutendsten Museen der Welt in der glücklichen Lage 1,2 Millionen Kunstwerke zu verwahren. Diese einzigartigen Kunstschätze erfordern jedoch auch den passenden Rahmen um der Öffentlichkeit adäquat präsentiert werden zu können.
Gerade eine Sammlung zeitgenössischer Kunst wie die Sammlung Essl mit ihren zahlreichen Großformaten benötigt den einhergehenden Platz. Unsere derzeit vorhandenen Ausstellungsflächen bieten einer wachsenden ALBERTINA mit ihren laufenden Schenkungen aus aller Welt dahingehend nur beschränkte Möglichkeiten.
Die ALBERTINA KLOSTERNEUBURG positioniert sich im Unterschied zum ehemaligen Essl-Museum nicht in Relation zu den Wiener Museen: in Wien bespielt die ALBERTINA bereits zwei wichtige Standorte.
Die Wiederbelebung des neuen Standorts in Klosterneuburg ist nicht nur für die ALBERTINA und ihr Ausstellungsprogramm wichtig, sondern bedeutet auch für das Land Niederösterreich und die Kulturnation Österreich eine bedeutende Ergänzung des musealen Angebots. Kein Ort ist für uns dafür besser geeignet als das ehemalige Essl-Museum, dessen Architektur von Heinz Tesar von Beginn an die gemischte Nutzung als Depot und Museum vorgesehen hat.
Eröffnung
„An- und Neubauten sind ein Indiz, dass der Inhalt der Sammlungen die architektonische Hülle sprengt: bei Museen liegt das in der Natur der Sache. Denn der Auftrag an Museen ist es, die Sammlung ständig zu erweitern und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Konsequenterweise braucht ein Museum, wenn es dynamisch wächst alle paar Jahre einen Zubau oder – wo dieser nicht möglich ist, neue Standorte für den Sammlungszuwachs: daher werden wir am 10. April die ALBERTINA KLOSTERNEUBURG eröffnen“, so Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder Schröder.
Mit der Öffnung der ALBERTINA in Klosterneuburg verfolgt die ALBERTINA ein wesentliches Ziel: einen großen Teil der Sammlung nach 1945 der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Die Sammlung der Gegenwartskunst umfasst heute ca. 65.000 Kunstwerke (Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik, Photographie, Skulpturen, Videos und Installationen). Jedes Museum, das in die Gegenwartskunst ausgreift – wie die ALBERTINA, nicht zuletzt aufgrund ihrer zahlreichen Schenkungen – wird aufgrund des Sammlungszuwachs unvermeidlich auch einen zunehmenden Raumbedarf haben.
Die Vorgeschichte des Essl Museums - 1999 bis 2016
2014 drohte die Sammlung in die wirtschaftlichen Turbulenzen der Unternehmensgruppe der Familie Essl zu geraten. Noch im selben Jahr konnte die Sammlung Essl unter Mitwirkung von Dr. Hans Peter Haselsteiner in eine neue Besitzgesellschaft eingebracht und damit in ihrer Existenz gesichert werden. Im Juli 2016 musst wurde das Essl Museum geschlossen werden.
Die ALBERTINA verfolgt diese Pläne einer gemeinsamen Nutzung in Klosterneuburg bereits seit 2017, als das Haus von Hans Peter Haselsteiner unbefristet angemietet wurde.
ALBERTINA KLOSTERNEUBURG
Mit der Schenkung der Sammlung Essl wurde auch das ehemalige „Essl Museum“ in Klosterneuburg der ALBERTINA zur Verfügung gestellt. Dieser moderne, preisgekrönte Museumsbau von Staatspreisträger Architekt Heinz Tesar wurde in der Vergangenheit umfassend genutzt – jedoch immer mit der Perspektive als eigenständiges Museum wiedereröffnet zu werden.
Bislang wurde das Gebäude umfassend genutzt: Depot, Restaurierwerkstätten, die Bibliothek für Gegenwartskunst, das Fotoatelier, die Inventarisierungsabteilung für Großformate sowie die Rahmentischlerei befanden sich vor Ort.
Ziel ist, so viele Werke an Österreichischer und internationaler Kunst wie möglich öffentlich zugänglich zu machen: Kunst, die nicht gerade in Ausstellungen an der ALBERTINA oder der ALBERTINA MODERN gezeigt werden oder als Leihgaben außer Haus sind, wird der interessierten Öffentlichkeit in Klosterneuburg zugänglich gemacht.
Präsentationsschwerpunkt: Skulptur
Erstmals wird in Klosterneuburg ein Präsentationsschwerpunkt auf Skulpturen gesetzt: Das zweite Obergeschoss wird schwerpunktmäßig dazu einladen, die bedeutende Skulpturensammlung der ALBERTINA zu entdecken. Werke von Jannis Kounellis, Mimmo Paladino, Gironcoli die Roy Lichtenstein Studiensammlung oder die bedeutende Schenkung von Gipssammlungen von Hans Arp werden hier zu sehen sein. Erstmals wird auch die monumentale Videoskulptur von Marie-Jo Lafontaine ausgestellt. Mit Kennedy Janko und Soli Kiani wurde auch der Diversität in der Skulpturensammlung Rechnung getragen.
Die Eckdaten
Jahres-Öffnungszeiten: 10. April bis 2. November 2024
Öffnungstage: Donnerstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Laufender Austausch von Werken, die verliehen wurden. • Werke kommen aus dem Depot im Erdgeschoss
Gesamtfläche: 8.500 m2
Ausstellungsfläche: 3.000 m2
Depotflächen: 3.000 m2
Rest: Werkstätten
Zukünftige Ausstellungen
Pop Art – The Bright Side of Life
Um 1960 verdrängt die Pop-Art zunehmend die abstrakte Malerei. Weltanschaulich ist die Pop-Art die Reaktion auf den Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Kommerzialisierung aller Lebensbereiche und die wachsende Konsum- und Freizeitkultur sowie den von Film, Fernsehen und Illustrierten befeuerten Celebrity-Kult.
Kunstgeschichtlich ist die Pop-Art die Reaktion auf die Abstraktion in der Malerei, den vermeintlichen Endpunkt ihrer Entwicklungsgeschichte. Mit Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Mel Ramos und Alex Katz tritt das Gegenständliche in der Kunst wieder machtvoll in Erscheinung: nicht als „Nachahmung“ (Mimesis) der Natur, sondern als „Aneignung“ (Appropriation) von bereits existierenden Bildern. Ob Fotos oder andere Bilder aus Zeitungen, Comics, Illustrierten oder Werbeanzeigen: Jede Person, jeder Gegenstand wird zur Ware, zum Fetisch, zur Celebrity, zum Konsumobjekt.
Die österreichische Pop-Art kommt von ähnlichen Voraussetzungen her, geht aber einen von der US-amerikanischen Urform unabhängigen, eigenständigen Weg: voller Witz und spielerischer (Selbst-)Ironie.
Die grelle und laute Buntheit des Pop-Art-Bilderkosmos spiegelt den Tanz auf dem Vulkan wider, nicht dessen Ausbruch: die tiefe politische und gesellschaftliche Krise der 1960er- und 1970er-Jahre, in denen politische Morde – von John F. Kennedy bis Martin Luther King –, der Kalte Krieg und der Vietnamkrieg, die Erdölkrise, die galoppierende Inflation und der Deutsche Herbst dazu führen, dass die beiden Jahrzehnte der Pop-Art, die 1960er- und 1970er-Jahre, als „troubled decades“ in die europäische und amerikanische Zeitgeschichte eingehen.
Von Hundertwasser zu Kiefer
Vom Symbol der Freiheit zu den Schatten der Vergangenheit
Mitte des 20. Jahrhunderts wird die Abstraktion sowohl in Europa als auch in Amerika zum Symbol der Freiheit. Als neue Weltsprache der Kunst gilt dieser letzte Stil der Kunstgeschichte, als Höhe- und Endpunkt der Malerei. Er wird zum Inbegriff des künstlerischen Temperaments, der expressiven Subjektivität und der Heroisierung des Individuums.
Gegenständliche Kunst ist Propaganda, die Ausdrucksform von Diktaturen vom Nationalsozialismus bis zum Stalinismus. Abstrakte Malerei ist die Antwort auf diesen Realismus im Dienst der Propaganda. Abstraktion als existenzieller Selbstausdruck des Künstlers entsteht aus der Weigerung, sich in Kunst und Form Gesetzen und Regeln zu unterwerfen. Dass man als nonkonformistischer Abstrakter auch populär und geradezu volkstümlich werden kann, beweist in Österreich der als Maler wie Architekt tätige Friedensreich Hundertwasser.
In den 1960er-Jahren beginnen deutsche Künstler – von Jörg Immendorff über Markus Lüpertz bis zu Anselm Kiefer – sich mit der Katastrophe des Weltkriegs auseinanderzusetzen, die Deutschland zweimal über die Welt gebracht hat: Es sind die Schatten einer dunklen Vergangenheit, die den benennbaren Gegenstand, Themen und Motive, wieder in die Kunst einführen. Nicht zu Zwecken der Propaganda aber machen die Maler sich die Gegenständlichkeit zunutze, sondern als Kritik an der eigenen Geschichte: dem Krieg, der Teilung Deutschlands, der Zersplitterung der Gesellschaft.
Während sich die amerikanische Kunst der Pop-Art ab den 1960er-Jahren vorrangig mit den Folgen des Kapitalismus, der Kommerzialisierung der Gesellschaft und der Warenwelt, beschäftigt, nehmen Georg Baselitz, Jörg Immendorff und Markus Lüpertz die verhängnisvolle Vergangenheit der eigenen Nation in den Blick.
Die lädierte Welt
„Das Leben ist eine Wunde und die Wunde heilt so schwer“ Marianne Fritz
Es ist diese bittere, schmerzvolle Einsicht, mit der die österreichische Schriftstellerin Marianne Fritz 1978 Die Schwerkraft der Verhältnisse am Ende des Zweiten Weltkriegs beschreibt. Im Schicksal der Antiheldin des Romans, die durch die dumpfige Enge der Nachkriegszeit zum Äußersten, dem Kindsmord, getrieben wird, erkennen wir eine Welt, in der für Außenseiter, für die von zerrütteten Verhältnissen Gebeutelten, kein Platz ist.
Leben in der lädierten Welt: Der Mensch in seiner endlichen, von Krankheit und Tod bedrohten Existenz ist auch Träger der Wunden, die die Gesellschaft dem Einzelnen schlägt.
Vom vergeblichen Streben des Sisyphos bei Franz West, der strafenden Hand Gottes bei Kurt Moldovan und dem Leiden am Bürgerkrieg bei Fritz Wotruba bis zur tödlichen Krankheit Aids und den Verbrechen der US-Armee im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, von den verbrannten Körpern von Auschwitz bis zur Flüchtlingskrise und den Aufdeckern/Staatsfeinden Julian Assange und Edward Snowden reichen die Bilder einer lädierten Welt, die uns die Kunst vor Augen stellt.
Sie geben Zeugnis vom unerschrockenen, unverwandten Blick der Kunst auf Krieg, Zerstörung, Krankheit, Elend und Tod.
FOTOCULT Blog by Glaphyra Gusenbauer