Claudia Dorninger-Lehner
19. 06. 2018 - 27. 06. 2018
Vernissage am 19. 06. 2018 um 19:00 Uhr. Anmeldung zur Vernissage HIER.
"Was bleibt?"
Bilder komprimierter Raumerfahrung
Wir alle legen täglich bestimmte Wegstrecken zurück und durchschreiten dabei die unterschiedlichsten Räume, und auf jedem dieser Wege nehmen wir bewusst oder unbewusst verschiedene Raumstrukturen und Raumqualitäten wahr. Doch was bleibt uns in Erinnerung?
Die diesem Projekt zu Grunde liegende Idee ist, Farben, Strukturen, Eindrücke und Empfindungen entlang eines Weges im urbanen Raum oder dessen Umgebung in einem einzigen alles umfassenden Bild darzustellen. Im Gegensatz zu meinen bisherigen Arbeiten, in denen ich mich mit der visuellen Wahrnehmung innerhalb eines Zeitabschnitts von 2-8 Sekunden, den wir als Gegenwart empfinden mögen, auseinandergesetzt habe, möchte ich nun Raum und Zeit zu diskreten linearen Wahrnehmungsstrukturen erweitern und mich nicht nur mit jeweils einem einzigen Ort, sondern mit einer Abfolge von Eindrücken während einer Bewegung durch den mich umgebenden Raum beschäftigen. Mein primäres Interesse gilt dabei der Tragweite visueller Reminiszenz erlebter Raumerfahrungen und der Frage, inwiefern subjektive Erinnerung in objektive Wahrnehmungen eingebettet ist. Um dem nachgehen zu können habe ich entlang eines Weges im urbanen oder ländlichen Raum etwa 100 einzelne Momentaufnahmen fotografiert und anschließend zu einem einzigen Bild zusammengefügt.
Welche Erkenntnisse sind nun aus dem entstandenen Bild zu gewinnen? Werden die den Raum prägenden Merkmale durch das Übereinanderlegen evoziert? Wird vorher nicht Wahrgenommenes sichtbar oder auch bestätigt? Ist es möglich, die Orte eindeutig wiederzuerkennen? Werden signifikante Unterschiede erkennbar sein? Welche Farben, Formen und Strukturen setzen sich durch? Welche Empfindungen werden vermittelt? Worauf achten wir überhaupt, wenn wir einen Weg entlanggehen, welche Details aus der Umgebung nehmen wir bewusst wahr?
Claudia Dorninger-Lehner
Für meine ersten Versuche habe ich Wege ausgewählt, die ich schon sehr oft gegangen bin und sehr gut zu kennen geglaubt habe. Interessant war dann, welche Strukturen in meinen Bildern Dominanz erlangt hatten und welche Farbeeindrücke entstanden sind. Ich konnte etwas entdecken, das über die reine Abbildung der Wirklichkeit hinausging und eine Erinnerung an Empfindungen wachrief, welche ich mir vorher nicht bewusstgemacht hatte, die aber doch mein Erleben von Raum und Zeit wesentlich bestimmt hatten. Wenn ich das nächste Mal einen dieser Wege entlanggehen werde, werde ich darauf achten, ob sich die durch Überlagerungen gewonnenen signifikanten Bildeindrücke in der Wirklichkeit wiedereinstellen und für mich nachvollziehbar werden, oder ob ich ein rein fiktives bildnerisches Abbild geschaffen hatte, das - obwohl durch aufgezeichnete Lichtspuren der Realität entstanden- neue Aspekte eröffnet. Können durch die experimentelle Aneignung der „Realität“ weitere Wahrnehmungskategorien der Befindlichkeit angelegt werden, welche die Wirklichkeit neu bewerten?
Diesen Fragen war ein für mich spannender Prozess der Bildentstehung vorangegangen. Die kurze Zeitspanne hatte mich gefangen genommen, in der ein Bild schrittweise aus den entstandenen Fotos entsteht, wobei zugleich ein Auflösen und ein Zusammenschmelzen stattfindet. Diesen Vorgang kann man geradezu als eine Verschiebung des Raum-Zeit Kontinuums unter Miteinbeziehung des Zufalls empfinden, sozusagen als experimentelle Neuinterpretation der Realität.
Es heißt „Mit dem Versuch, Zeit und Raumebenen zu erfahren, erleben wir zugleich deren Verschwinden“ (Erhard Scherpf). Doch jeder Weg hinterlässt Spuren im Gedächtnis; es kommt nur darauf an, woran man sich erinnert. Und dies ist auch Thema meiner Arbeit. Was ist die erfahrbare und neu erlebbare Essenz des zurückgelegten Weges? So wie eine Erinnerung die vorhergehende verblassen lässt, so werden vor allem die hellen Tonwerte meines Bildes die darunterliegenden Töne überdecken, aber die hervorstechendsten Merkmale werden in Erinnerung bleiben. Welche das sind, das kann jeder für sich entscheiden.
"Was bleibt?" Bilder komprimierter Raumerfahrung von Claudia Dorninger Lehner
Artist´s statement:
Ich arbeite künstlerisch mit dem Medium Fotografie.
Meine Bilder entstehen nicht rein dokumentarisch, sondern spielerisch experimentell
und fordern die Kreativität des Sehens beim Betrachter heraus.
Mit meinen Projekten möchte ich neue Wahrnehmungsbilder evozieren, welche die eigene visuelle Apperzeption hinterfragen und eine Befreiung aus Sehgewohnheiten ermöglichen sollen.In meiner künstlerischen Arbeit spielt der Prozess eine wichtige Rolle.
Meine Ideen entwickeln sich spontan. Die Themen sind jedoch viele Jahre in mir gewachsen und treten irgendwann plötzlich in mein Bewusstsein. Mir ist wichtig, diesen Impuls nicht zu verpassen und ihn zügig umzusetzen.
Geprägt durch mein Architekturstudium arbeite ich immer sehr konzeptionell. Die Wahrnehmung des uns umgebenden Raumes, seine Farb-, Licht-, Form-, Bewegungs- und Zeitstruktur spielen in allen meinen Projekten eine große Rolle.
Claudia Dorninger - Lehner
Claudia Dorninger-Lehner, lebt und arbeitet in Perchtoldsdorf bei Wien. Studium der Architektur an der TU-Wien und der University of Strathclyde in Glasgow, Diplom 1997, Lehrgang für künstlerische und angewandte Fotografie an der Prager Fotoschule Österreich, Diplom 2015, Résidence d'artiste Clervaux - cité de l'image, September 2016. Kursleiterin für Architektur- und Fotografiekurse.
Ausstellungen (Auswahl)
„Augenblicke der Gegenwart“, Garage 01ArtLife, Wien, März 2018
"Zeitspannen", gemeinsam mit Rob Bansky, Architekturforum Linz, November 2017
photo::vienna I Werkschau, Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst in Wien, Oktober 2017
Bildgegenwarten, Einzelausstellung im Talentegarten Mödling, Juni 2017
"Walk of Arts", Großflächenprojektion des Vereins Kunstschaffen, Wiener Standorte, April 2016
photo::vienna I Werkschau, Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst in Wien, Oktober 2015
Präsentation „Vier Sekunden Gegenwart“, Ars Electronica Center Linz, Deep Space, September 2015
WeiterBILDung - und welchen Beitrag KünstlerInnen dazu leisten können, ip-forum, Wien, Juni 2015
Kontakt: Claudia Dorninger - Lehner