Nein zur Öffnung nach Sant’Elena
Ausstellung hinterfragt die Raumpolitik der Biennale in Venedig – Leerstand einer Pavillonhälfte wird zum Exponat – Labor der Zukunft?
Der übergeordnete Titel der diesjährigen Biennale lautet „The Laboratory of the Future“. Das Architekturkollektiv AKT und Hermann Czech planten, eine Hälfte des Österreichischen Pavillons vom benachbarten Sant’Elena aus frei zugänglich zu machen. Im intensiven Austausch mit lokalen Initiativen und der Bevölkerung war das Projekt als Hinwendung der Biennale zur umgebenden Stadt konzipiert: nicht in Form einer weiteren Ausbreitung wie in den letzten Jahrzehnten, sondern als Umkehrung dieser räumlichen Praxis. Diese ist in den vergangenen Jahren auch in der internationalen Presse in die Kritik geraten. Nun lehnen die Biennale und das Denkmalamt laut eigener Auskunft die Öffnung des Pavillons zur Stadt ab. Umso mehr rückt die Frage, welche Rolle die wichtigste Architekturausstellung der Welt in der Stadt Venedig in Zukunft spielen kann, ins Zentrum der Ausstellung.
Die Möglichkeit einer Ablehnung der Öffnung wurde von AKT und Hermann Czech bereits in ihrem ursprünglichen Konzept berücksichtigt.
Nun werden die seit ihrer Gründung stetige Ausdehnung der internationalen Großausstellung und der Ausschluss der Bevölkerung aus den von ihr genutzten Räumen dargestellt. Der erfahrbare Leerstand der ursprünglich für die Öffentlichkeit vorgesehenen Pavillonhälfte wird in diesem Kontext zum Exponat und wirft die Frage auf, welche Rolle eine internationale Architekturausstellung in einer Stadt spielen kann.
„Partecipazione“ war eine der Kernforderungen an die ersten Architekturausstellungen der Biennale in den 1970er-Jahren, ebenso die Auseinandersetzung mit Venedig und den drängenden Fragestellungen vor Ort. Diese beiden Ansätze greift der österreichische Beitrag durch den Umbau wieder auf und stellt sie in der begleitenden Ausstellung und Publikation der gegenwärtigen Raumpraxis der Biennale gegenüber.
Dazu kommen Veranstaltungen der lokalen Bevölkerung und venezianischer Initiativen an der Giardini-Mauer, im öffentlichen Stadtraum und in privaten Gärten sowie Stadtführungen und Führungen um die Grenze der Giardini.
AKT
AKT ist ein siebzehnköpfiges Wiener Architekturkollektiv mit dem Ziel, die unabhängige und utopische Produktion von Raum zu fördern. Die zunehmend wirtschaftlichen Zwängen folgende Gestaltung unserer Lebenswelt soll durch den Bau konkreter Räume aufgebrochen, unterlaufen und durch alternative Modelle konterkariert werden.
Hermann Czech
Geboren in Wien. Studium u.a. bei Konrad Wachsmann und Ernst A. Plischke. Ungleichartiges architektonisches und planerisches Werk; zahlreiche kritische und theoretische Publikationen zur Architektur. Gastprofessuren an der Harvard GSD, der ETH Zürich und in Wien; zahlreiche Vorträge und Auszeichnungen; Einzelausstellungen u.a. im Architekturmuseum Basel, Teilnahme an der Architekturbiennale Venedig 1980, 1991, 2000 und 2012. Seine Ausstellungsgestaltungen bedienen sich oft der (auch vorgefundenen) räumlichen Struktur zum Vorteil der inhaltlichen, z.B.:
„von hier aus”, Messe Düsseldorf 1984
„Wien 1938”, Wiener Rathaus, 1988
„Wunderblock”, Reithalle Wien 1989
„Der Wiener Kreis”, Universität Wien 2015
„Josef Frank: Against Design” (auch als Kurator), MAK Wien, 2015
Ausstellung Sigmund Freud Museum Wien, 2020