Tecta: Architektonisches Gesamtkunstwerk wird fortgesetzt
Ein Kragstuhl kratzt an den getupften Wolken des Lauenförder Himmels. Gesetzt auf einen 15 Meter roten Obelisken aus Stahl. Wie ein Leuchtturm strahlt die Installation „Ten chairs of Lauenförde“ als Markstein der Tecta Landscape hoch über dem Gelände, das mit lichten Baukörpern, Struktur und Natur übersetzt, was das Familienunternehmen bis heute auszeichnet: offen im Denken zu sein, Neues zuzulassen, ohne das Vergangene zu vergessen.
Christian Drescher von Tecta führt an diesem Morgen über das Firmengelände, die Tecta Landscape, die mit ihren künstlerischen Interventionen, den Pavillons und schwebenden Hallen, auf der Landkarte von Architektur und Gestaltung ihren Platz gefunden hat. Tecta liegt nicht an den großen Wegen, aber Menschen, die gute Gestaltung schätzen, finden wie von selbst hierhin. So auch Andree Weissert aus Berlin. Der Zimmerer, Gestalter und Projektarchitekt arbeitet mit seinem eigenen Studio saw in Kreuzberg. Nach der Entwicklung von Möbeln für Tecta, folgte 2016 die umfassende Neugestaltung des Firmensitzes.
Was für manchen zur lähmenden Aufgabe würde, war für ihn Herausforderung: das architektonische Gesamtkunstwerk fortzusetzen, das die berühmten, britischen Architekten Alison und Peter Smithson für Tecta planten. „Die Smithsons haben sich in den 1980er Jahren sehr behutsam mit Tecta auseinandergesetzt. Peter wanderte regelmäßig einen halben Tag lang alleine über das Gelände und nahm den Geist des Ortes auf, erfühlte ihn,“ erinnert sich Axel Bruchhäuser von Tecta. Daraus entstand das berühmte Tecta-Gebäudeensemble, das heute durch die Themen von Produktion vor Ort und customizing bei der Tecta-Kollektion an seine Grenzen kam. Für die Vorhaltung von Möbeln und Material wurde ein neues Gebäude nötig.„Wie schon bei den vorherigen Arbeiten von Andree Weissert für Tecta, sollte die Architektur des neuen Schaulagers Positionen von Heute und Gestern verbinden“, erklärt Christian Drescher. „Unser Wunsch war eine zeitgemäße und funktionale Lagerhalle, die gleichzeitig das Schaulager unseres Museum-Archivs beherbergt.“
Der Auftrag offenbart eine Besonderheit des Unternehmens: Schon immer konnten sich Tecta-Gestalter über ihre Möbelentwürfe hinaus mit der architektonischen Entwicklung des Firmensitzes beschäftigen. Ob Peter und Alison Smithson oder auch Stefan Wewerka - sie alle hatten eine Vorstellung davon, wie Tecta Leben und Arbeiten verbinden könnte.
Das Familienunternehmen ließ die Gestaltungsideen zu. In diesen Freiräumen entwickelte sich Neues, Innovatives und auch Großes. Wie eben eine Architektur, die zwar nicht mehr sein will als eine Halle, aber doch aussieht wie eine Skulptur. Man könnte sagen, dass sie an die Vorarlberger Architekturschule erinnert, mit ihrer eleganten, vertikal verlatteten Holzfassade, dem auskragenden Vordach in Kombination mit rohem Aluminium und Edelstahl. Das Holz stammt nicht aus dem Bregenzer Wald, sondern aus den Lauenförder Lichtungen. „Ich wollte bewusst keine Lagerhalle bauen, die nach zehn Jahren wieder abgerissen werden muss“, führt Andree Weissert beim Rundgang aus, „sondern ein Tragwerk und eine Fassade aus Holz, die dem Sortiment von Tecta mit starker Reduktion und sauberer Kubatur gerecht wird.“
Radikal zeitgenössisch ist der neue Bau und vermittelt mit Poesie den souveränen Handschlag zu den Bestandsgebäuden. Energieeffizienz, Solar auf dem Dach, eine Bauteilaktivierung zur Temperierung – all das verstand sich dabei von selbst. „So wenig Beton wie nötig, aber so viel Holz wie möglich,“ unterstreicht Andree Weissert, „ein passender Rahmen für die Tecta-Möbel, die ebenfalls keine Wegwerfprodukte sind, sondern bewusst auf lange Lebenszyklen bauen.“ Handwerkskultur, Detailliebe und innovative Technik zeigen, was gute Architektur zu leisten vermag: das Große im Kleinen kraftvoll herauszuarbeiten.
„Es wirkt, als hätte es das Gebäude hier immer schon gegeben,“ fasst Christian Drescher zusammen. „Die holzverkleidete Halle schließt die Tecta-Landscape zur Nordseite ab, während die Museumshallen von Peter Smithson mit Ihrer Spiderweb-Fassade das Gegenstück auf der südöstlichen Seite bilden.“ Die Allianz des Gestern und Heute hätte den Smithsons gefallen. „Andree Weissert hat mit der Gestaltung eine emphatische Antwort auf den Ort in der Sprache des Ortes gefunden,“ beschreibt Axel Bruchhäuser. „Von der schwebenden Krag-Idee bis zum TECTA-Zeichen als Spiegel-Bild der vorhandenen Fassade: schlicht, zeitlos und ästhetisch.“