The Day will come ...
Mit einer wahren Bilderflut wartet die diesjährige Triennale der Photografie in Hamburg auf! Rund um die Ausstellungen von Phillip Toledano wurde ein Feuerwerk an Ausstellungen und Inszenierungen an den unterschiedlichsten Orten gestartet. Workshops, Ausstellungen, Olympus Playground und mehr erwartet die Besucherinnen. FOTOCULT Magazin wird in den nächsten Wochen regelmäßig über die vielfältigen Ausstellungen in der Hansestadt berichten.
Konzept
THE DAY WILL COME
Unscharfe Wirklichkeit in einer fernen Zukunft
DIE ZUKUNFTSGENE
Das 20ste Jahrhundert endete wie es begann: alle Augen auf die Zukunft gerichtet. Im kollektiven Bewusstsein schien sie voller neuer Ideen zu stecken. Angefangen mit dem Fin de siècle und dem Futurismus bis hin zur Postmoderne, den Ideen des New Age, dem Transhumanismus und der Zukunftsforschung, alles mündete in Francis Fukuyamas Verkündigung vom Ende der Geschichte. Heute, im Zeitalter der digitalen Revolution, werden mehr den je Fragen nach der Zukunft gestellt.
Albert Einstein sagte einmal: „Ein glücklicher Mensch ist der, der mit der Gegenwart zufrieden ist und nicht allzu viel über die Zukunft grübelt“. Es ist ein Ausspruch aus seiner Jugend, später, so ist bekannt, war er geradezu besessen, sich mit dem Phänomen Zukunft auseinanderzusetzen. In den 50er Jahren entwickelte Erich Fromm die Theorie von der Entfremdung des Menschen gegenüber sich selbst in seiner Schrift „Der moderne Mensch und die Zukunft“. In Erwägung der Theorien beider Denker, muss man zu dem Schluss kommen, dass Zukunft Unsicherheit, Unglück und Ängste bringen. Allerdings auf einem ganz anderen Blatt stehen das menschliche Interesse am Unbekannten, am Unbestimmten, der Terra Incognita. Das waren immer Impulse für Veränderung und Fortschritt. Alvin Toffler, zur Zeit der einflussreichste Futurologe und Autor des Buches „Future Shock“, behauptet, dass wir heute auf einer „dritten Welle“ reiten, die einer überindustrialisierten Gesellschaft, die nur auf die Zukunft fokussiert ist. Einer seiner Schlüsselmaxime befasst sich mit dem Einfluss der neuen Technologien und der sozialen Revolution: „Veränderung ist nicht linear, sie kann rückwärts, vorwärts und seitwärts gehen“. Seine Theorie weist Parallelen zur postmodernen Weltsicht auf.
„Technologie ernährt sich durch sich selbst. Technologie macht mehr Technologie möglich.“
Alvin Toffler
In den frühen 70er Jahren prophezeite einer der Gründer des Transhumanismus, FM-2030, virtuelles Networking, Telekonferenzen, Telemedizin und Teleshopping. Er behauptete, dass die Lebensqualität steigen würde. Stellen wir mal die Frage: Haben Channel-Surfing, Computerspiele, Videotelefonate, Social Media, Fotos mit Digitalkameras unser Leben zum Besseren verändert?
FOTOGRAFIE UND ZUKUNFT
Wie hat die digitale Bildwelt unsere Gesellschaft beeinflusst? Warum produzieren wir Milliarden von Bildern täglich? Hat die Telefonkamera unsere Wahrnehmung verändert? Hat Instagram die fotografische Ästhetik geprägt? Warum machen wir Selfies? Welche Rolle spielt der Fotograf heute? Und zuletzt die wichtigste Frage: Was kommt nach der digitalen Revolution? Was ist die Zukunft der Fotografie? Diese letzte Frage wurde bereits aufgeworfen, als die Fotografie gerade erfunden war, aber warum wird sie gerade heute so häufig gestellt?
Zunächst einmal ist es sehr kompliziert zu beantworten was Fotografie ist und was nicht. Was ist ein manipuliertes Bild und was ist ein Computer generiertes Bild? Alles vermischt sich heute. Und es ist kaum möglich eine Unterscheidung zu treffen. In dieser Hinsicht leben wir in einer post-fotografischen Zeit.
Hier ein paar Zahlen: Es gibt ca drei Milliarden Kamerabesitzer auf der Welt (meist in Form von Mobiltelefonen) mit denen ca 400 Milliarden Fotos geknipst werden (wenn jeder der Kamerabesitzer nur 150 Bilder täglich macht); das sind mehr Bilder als im gesamten Zeitraum von der Erfindung der analogen Fotografie bis zur Entwicklung der digitalen Kamera. Überdies teilen die meisten Menschen als soziale 2
Kreaturen ihre Bilder. Inzwischen produzieren Kamerahersteller drahtlose Kameras, die die Zeitspanne zur Übertragung der Bilddaten verkürzen. Marc Feustel beschreibt in einem Artikel zur „Zukunft der Fotografie“ ein passendes Beispiel: der jährlich erscheinende Katalog des schwedischen Möbelgiganten Ikea ist mit 200 Millionen eine der Auflagen stärksten Publikationen, zweimal so viel wie die Bibel. Kürzlich kündigte die Firma an ihre Fotos nach und nach durch Computer generierte Bilder zu ersetzen. Die klassische Fotografie wird nicht mehr gebraucht. Was kommt als nächstes? Was wird die Digitalkamera in naher Zukunft ersetzen?
Wie auch immer, es geht nicht nur um Technik. Sie spiegelt lediglich unsere Bedürfnisse und unsere Wünsche wieder. In Wirklichkeit ist Fotografie stärker als je zuvor. Die Zahl der sogenannten professionellen Fotografen steigt stetig; ebenso stetig nimmt die Zahl der Fotofestivals und der Ausstellungen zu, aber auch die Zahl der Besucher von Fotoausstellungen hat rasant zugenommen.
„Es gibt immer schreckliche oder großartige Augenblicke, und wir erinnern sie in Fotos.“
Annie Leibovitz
Handy-Fotografie ist ein Beweis für diese fotografische Hypertrophie. Wir leben im Zeitalter von Iphone, Instagram, Hipstamatic und Photoshop Express. Billige und leicht zugängliche Digitalkameras haben den Markt für Amateure geöffnet. Bilder machen wird zum Teil des täglichen Lebens. In dieser Hinsicht ist die Fotografie heute besser als je. Andererseits hat die digitale Revolution den Gebrauch von Fotografie und unsere täglichen Gewohnheiten völlig verändert. Die Bildästhetik wird immer banaler. Heute machen wir Fotos nicht mehr nur bei besonderen Anlässen, wir dokumentieren Alltäglichkeiten um sie mit anderen zu teilen.
Zusammengefasst ergeben sich Fragen wie: hat die Digitalfotografie irgendetwas verändert? Ist es wichtig ob ein Foto analog oder digital ist? In 100 Jahren wird diese Unterscheidung unbedeutend sein, was bleibt ist das Bild. Hoffentlich ist die Kamera bis dahin noch kein Roboter mit künstlicher Intelligenz. Denn nicht die Maschine macht das Bild, es ist der Mensch dahinter.
DIE TRIENNALE – THE DAY WILL COME
Die 6. Triennale der Photographie Hamburg findet unter dem Motto THE DAY WILL COME statt, ursprünglich ein Bibelzitat, das als als Inspirationsquelle für das gesamte Festivalprogramm dient. Schon immer hat der Wunsch nach Utopia Künstler, Literaten, Musiker und Filmer angeregt Werke über Hoffnung, Zukunft und menschliche Sehnsüchte zu schaffen. Durch fachübergreifende Zusammenarbeit von Kuratoren, Künstlern, Soziologen und Futurologen wollen wir einen Bogen in die Zukunft spannen; in Ausstellungen, Konferenzen, Künstlergesprächen und Vorträgen werden die verschiedenen Aspekte des Visuellen von unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchtet. Doch es ist klar, was als nächstes kommen wird, ist nicht vorhersehbar. Nur eines ist gewiss: die Zukunft wird immer halb unscharf sein.
“Deine Aufgabe ist es nicht, die Zukunft vorherzusagen, sondern sie zu ermöglichen.”
Antoine de Saint Exupéry
Krzysztof Candrowicz (Kurator)
#triennalehamburg