Faces - Die Macht des Gesichts
Die Ausstellung Faces widmet sich der radikalen Erneuerung der Porträtfotografie im Deutschland und Österreich der Zwischenkriegszeit. Für die 1920er- und 1930er-Jahre ist eine obsessive Beschäftigung mit dem Gesicht bezeichnend, die das Ende des klassischen Porträts einleitete: Fotografinnen und Fotografen stellen nicht mehr die Persönlichkeit eines Menschen dar, sondern fassen das Gesicht nun als nach ihren Vorstellungen formbares Material auf.
Die Porträts der Zeit spiegeln die gesellschaftlichen, politischen und künstlerischen Umbrüche der Epoche wider. Das zeigt sich etwa an der Hinterfragung der Geschlechterverhältnisse, die Künstlerinnen und Künstler mithilfe elaborierter Rollenspiele ausloten. Im sozial aufgeheizten Umfeld der Weimarer Republik, im österreichischen Ständestaat und im Nationalsozialismus diente das Gesicht nicht zuletzt als Projektionsfläche für politische Ideologien, denen durch Stilmittel der Moderne visuell Ausdruck gegeben wurde. Die bahnbrechenden ästhetischen Neuerungen des sogenannten Neuen Sehens oder der Neuen Sachlichkeit sollten die dynamische Entwicklung der technisierten Welt einfangen und kennzeichnen auch die Inszenierung des Gesichts durch experimentelle Beleuchtung und Nahansichten.
Geradezu prototypisch hierfür ist das einzigartige Werk des Fotografen, Kameramanns und Filmemachers Helmar Lerski, das im Zentrum der Ausstellung steht. Der 1871 in Strasbourg als Israel Schmuklerski in eine jüdische Familie geborene Künstler wandte sich im Alter von 39 Jahren der Fotografie zu und schuf in seinen Porträts eine außergewöhnliche Inszenierung des Gesichts durch Licht. Er entwickelte seine Darstellungsweise in enger Beziehung zu seiner Arbeit als Kameramann und Techniker in Berlin, wo er ab 1915 an legendären Stummfilmen (etwa Metropolis) mitarbeitete. In seinen drei umfassendsten Porträtserien brachte er seine Praxis zur Meisterschaft: Entstand Köpfe des Alltags noch in Berlin, fotografierte er Araber und Juden sowie Verwandlungen durch Licht bereits in Palästina, wohin Lerski 1932 aufgrund des in Deutschland grassierenden Antisemitismus emigriert war.
Rollenspiele
Unter dem Zeichen des Rollenspiels brachen Fotografinnen und Fotografen in den 1920er- Jahren mit der Vorstellung des bürgerlichen Porträts als eines Mittels der Selbsterkenntnis. Die theatralische Inszenierung der eigenen Person oder des Modells diente vielmehr dem Ausprobieren unterschiedlicher Identitäten, dem kreativen Selbstausdruck, formalen Experimenten und der Auseinandersetzung mit der Zuweisung gesellschaftlicher Rollen. Vielfach vom expressionistischen Stummfilm beeinflusst, sind Requisiten, Mimik und Lichtsetzung die wesentlichen Mittel für die Verwandlung in eine Kunstfigur. Während manche Fotografinnen und Fotografen ihre Modelle für ihre Konzepte instrumentalisierten, gingen andere Werke aus der Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner hervor. Zu Veröffentlichung und kommerziellen Zwecken bestimmte Mode- und Atelierporträts stehen intimen Privataufnahmen gegenüber, die ein künstlerisches Paralleluniversum etablieren, das gesellschaftlich oftmals verwehrt blieb.
Helmar Lerski: Porträts
Die ausdrucksstarke Mimik veranschaulicht die Lust am Rollenspiel, die der ehemalige Schauspieler Helmar Lerski in seine frühen Atelierporträts einbrachte. Diese entstanden noch in den USA, wo Lerski im Fotostudio seiner Frau ab 1910 erste Aufnahmen anfertigte. Indem er die Köpfe nahsichtig und mit einer Mischung aus künstlicher Studiobeleuchtung und natürlichem Licht wiedergab, erreichte er eine bis dahin unbekannte skulpturale Plastizität des Gesichts. Die Kreation einer Figur allein mit Mitteln des Lichts ist Lerskis zentrales Konzept, das er ein Leben lang weiter perfektionierte. Es zeigt sich bereits in den Bildnissen des befreundeten Ingenieurs Robert Mann, der sich unter Zuhilfenahme von Verkleidungen Lerskis Lichtregie vollkommen unterordnen musste.
Marta Astfalck Vietz/Gertrud Arndt: Selbstporträts
Im Kontext feministischer Zugänge eröffneten Verkleidungen ein Spiel mit weiblichen Geschlechterklischees bis hin zur Parodie. Die Berliner Fotografin Marta Astfalck-Vietz nahm von 1926 bis 1932 Selbstporträts auf, die von Tanz und Kino inspiriert waren. Das Gesicht hinter einer Maske verborgen und den Körper in transparente Spitze gehüllt, setzte sie sich in surreal-erotischen Aufnahmen durch eine prägnante Lichtregie in Szene und unterlief so klassische Aktdarstellungen. Die am Bauhaus als Weberin ausgebildete Künstlerin Gertrud Arndt verwandelte sich für ihre Maskenselbstbildnisse mithilfe weniger Accessoires und eines ausdrucksvollen Mienenspiels in unterschiedliche Frauentypen, die sie unter anderem der Populärkultur entnommen hatte.
Verwandlungen durch Licht
Die virtuose Inszenierung des Gesichts durch Licht ist zentrales Mittel der Avantgarde der 1920er- und 1930er-Jahre. Fotografinnen und Fotografen fassten das Gesicht als eine vom Individuum losgelöste Maske auf, die durch dramatische Hell-Dunkel-Kontraste gleich einer Skulptur modelliert, in formale Strukturen übersetzt oder zu einer unheimlichen Mimik verformt wird. Zusätzlich durch knappe Bildausschnitte und ungewöhnliche Perspektiven verfremdet, erneuern die Fotografien herkömmliche Sehgewohnheiten. Dieser Anspruch wurde im Umfeld der Dessauer Kunstschule Bauhaus programmatisch verfolgt: Technische Experimente abstrahieren das Gesicht, wodurch die Wahrnehmung der Betrachtenden erweitert werden soll. Auch andernorts entwickelten Fotografinnen und Fotografen Theorien einer „reinen Lichtgestaltung“. Oskar Nerlinger löst etwa mithilfe einer Taschenlampe die Form und Materialität seines Gesichts in Lichtwerte auf. Helmar Lerski wiederum nutzt für Verwandlungen durch Licht (1935/36) durch Spiegel reflektiertes Sonnenlicht, um das vielfältige Ausdruckspotenzial eines einzigen Modells herauszuarbeiten.
László Moholy-Nagy/Gertrud Arndt: Modernistische Experimente
Die Weiterentwicklung fotografischer Gestaltungsmöglichkeiten führte am Bauhaus Dessau Lehrende und Studierende zur Nutzung ungewöhnlicher Techniken. Sich des Fotogramm- oder Negativ-Positiv-Umkehrverfahrens bedienend, erzielten sie innovative visuelle Effekte in der Lichtgestaltung. Der einflussreiche Lehrer, Theoretiker und Künstler László Moholy- Nagy zeigt etwa seine Silhouette als Negativ, indem er Scherenschnitte und seinen Kopf direkt auf lichtsensibles Fotopapier legte und belichtete. Moholy-Nagy war mit diesem Fotogramm in der 1929 in Stuttgart und ein Jahr später auch in Wien gezeigten Ausstellung Film und Foto vertreten. Die Schau bot erstmals einen internationalen Überblick über die fotografische Avantgarde und wirkte als wesentlicher Multiplikator.
Helmar Lerski: Verwandlungen durch Licht
Verwandlungen durch Licht ist das Opus magnum Helmar Lerskis. 1935/36 inszenierte er auf einer Dachterrasse in Tel Aviv 137 Nahaufnahmen des Hochbautechnikers Leo Uschatz. Mit Spiegeln und Reflektoren leitete Lerski das Sonnenlicht auf sein Modell und setzte es so immer wieder neu in Szene. Lerski diente dieses Experiment als Beweis, dass sich jedes beliebige Modell durch die absolute Beherrschung des Lichts und der Kameraführung nach der Vorstellung des Künstlers transformieren lasse. Gleich einem Katalog mimischer Ausdrucksarten belegt die Serie die Verwandlung ein und derselben Person in unterschiedliche Figuren beziehungsweise „Typen“.
Lerskis Aufnahmepraxis ist wesentlich von filmischen Großaufnahmen des Gesichts und der kontrastreichen Lichtsetzung des expressionistischen Films geprägt. Der Künstler hatte diese Mittel im Zuge seiner Tätigkeit als Kameramann (unter anderem für Das
Wachsfigurenkabinett [1924]) auch selbst wiederholt eingesetzt. Umgekehrt sah Lerski gerade im Film eine Anwendungsmöglichkeit seines fotografischen Konzepts.
Großaufnahmen
Unter dem Eindruck des Stummfilms isolierten Fotografinnen und Fotografen Gesichter in eindrücklichen Nahansichten. Regisseure gaben mithilfe überwältigender Großaufnahmen kleinste Wechsel im Mienenspiel überdeutlich wieder, um den fehlenden Ton zu kompensieren. Auch Fotografinnen und Fotografen arbeiteten durch enge Bildausschnitte Mimik und Materialität in bisher unbekanntem Detailreichtum heraus, reduzierten das Gesicht in sachlichen Aufnahmen aber gleichzeitig auf seine Oberfläche.
Der Fokus auf einzelne Körperteile wie Nase, Auge und Mund spitzt die Abstraktion radikal zu. Seit dem 19. Jahrhundert entstanden im Kontext vorgeblich wissenschaftlicher Studien Aufnahmen von Körperdetails. Die Fragmente der vom 1. Weltkrieg geprägten Avantgardefotografinnen und -fotografen sind jedoch Ausdruck eines Menschenbildes, dem das Individuum verletzlich erscheint. Sie zeigen das Gesicht als eine Art Landschaft, die sich gerade durch die transformativen Möglichkeiten des Fotoapparats entdecken und erkunden lässt.
Detailansichten
Das Interesse an experimentellen Sehweisen sowie anthropologischen Untersuchungen des Gesichts lenkte das künstlerische Augenmerk auch auf Körperdetails. Isoliert wiedergegeben, entwickeln diese eine eigenständige, irritierende Wirkung. Die Fragmente erscheinen etwa ironisch-skurril, wenn Paul Edmund Hahn mimische Extreme festhält. In seinen humoristischen Fotomontagen untersucht Kurt Kranz systematisch das menschliche Ausdruckspotenzial, indem er mimische Momente in filmischen Abfolgen anordnet und so Aspekte der Concept- und Body-Art vorwegnimmt. Intim sind hingegen die Fotos von Ilse Salberg. In hautnahen Ausschnitten fragmentiert sie den Körper ihres Lebensgefährten, des Malers Anton Räderscheidt. In Helmar Lerskis Werkgruppe Landschaft des Gesichts bekommen selbst Details des Antlitzes eine skulpturale Qualität. Lerski gewann seine Nahsichten, indem er aus bereits existierenden Negativen (etwa seiner Serie Verwandlungen durch Licht) enge Ausschnitte wählte, die er stark vergrößerte.
Der Mensch zwischen Individuum und Typ
Umfassende Porträtserien widmen sich der Darstellung und Kategorisierung von Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Indem sich Fotografinnen und Fotografen auf die Physiognomie und Typisierung von Menschen konzentrieren, erhält das Gesicht eine vielschichtige und oftmals widersprüchliche sozialpolitische Dimension.
August Sander fotografierte Individuen, die er nach Berufen und sozialen Schichten ausgewählt hatte und als Stellvertreter eben jener Gesellschaftsgruppe wiedergibt, der sie entstammen. Auch Helmar Lerski typisiert seine Modelle anhand ihrer Berufe. Der Einfluss der beiden Fotografen zeigt sich in dem Film Menschen am Sonntag (1930). In einer selbstreflexiven Sequenz ist ein Porträtfotograf bei der Arbeit zu sehen, wie er Badegäste in Close-ups festhält.
Den Arbeiten liegt ein damals weitverbreiteter Physiognomiediskurs zugrunde. Die Frage, ob und wie sich ein Mensch oder gar eine Epoche anhand von Gesichtern entziffern lässt, beschäftigte wissenschaftliche wie künstlerische Disziplinen. Walter Benjamin bezeichnete Sanders Fotos in einer berühmten Besprechung etwa als einen „Übungsatlas“, um Gesichter lesen zu lernen: „Machtverschiebungen, wie sie bei uns fällig geworden sind, pflegen die Ausbildung, Schärfung der physiognomischen Auffassung zur vitalen Notwendigkeit werden zu lassen. Man mag von rechts kommen, oder von links – man wird sich daran gewöhnen müssen, darauf angesehen zu werden, woher man kommt. Man wird es, seinerseits, den anderen anzusehen haben.“
August Sander: Menschen des 20. Jahrhunderts
August Sander verfolgte ab 1925 sein Langzeitprojekt Menschen des 20. Jahrhunderts, dessen ehrgeiziges Ziel die Dokumentation eines gesellschaftlichen Querschnitts der Weimarer Republik war. In engem Austausch mit seinen Modellen bildete sie der Fotograf bei natürlichem Licht zumeist ganzfigurig in ihrem Lebensumfeld ab. Eine formalistische Beleuchtung und ungewöhnliche Perspektiven lehnte er ab. Hierarchisch nach Berufen – beginnend mit Bauern über Handwerker bis hin zu Künstlern und Intellektuellen – geordnet und in sieben Gruppen unterteilt, legte Sander das Projekt auf 540 Fotos an. Er plante, sie in Form von 45 Mappen zu je 12 Fotos zu publizieren, die einen Vergleich der dargestellten Individuen und so die Ausbildung einer Typologie ermöglichen sollten. Zu Sanders Lebzeiten erschien jedoch nur eine Auswahl von 60 Bildern in dem eigentlich als Vorabveröffentlichung gedachten Buch Antlitz der Zeit (1929). Die differenzierte Schilderung der Gesellschaft anhand von Individuen lief den Anliegen des nationalsozialistischen Regimes zuwider: Die Druckstöcke von Antlitz der Zeit wurden 1934 zerstört, der Vertrieb des Buches eingestellt.
Willy Zielke: Arbeitslos. Ein Schicksal von Millionen
Der Fotograf und Regisseur Willy Zielke drehte 1932 den Film Arbeitslos. Ein Schicksal von Millionen, der von erwerbslosen Fabrikarbeitern handelt. Um das Werk abseits der Leinwand zu dokumentieren, arbeitete Zielke Kader aus dem Film als Fotos aus, die hier erstmals zu sehen sind. Die stilisierten Köpfe der Arbeiter veranschaulichen das Gesicht als Projektionsfläche für unterschiedliche politische Narrative. So musste Zielke den ursprünglich sozialkritischen Film nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jänner 1933 umschneiden. Der Film wurde in Die Wahrheit. Ein Film von dem Leidensweg des Deutschen Arbeiters umbenannt, und neue Aufnahmen, etwa von NS-Wahlplakaten und vom Bau der Reichsautobahn, wurden eingefügt. Die Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit ist nun der Nationalsozialismus. Dennoch untersagten die NS-Machthaber die Aufführung des Films. Obwohl Zielke in ihrem Auftrag noch weitere Projekte anfertigte (darunter den Prolog für Leni Riefenstahls Propagandafilm Olympia. Fest der Völker [1938]), wurden auch sie verboten oder umgeschnitten.
Helmar Lerski: Köpfe des Alltags
Für seine Serie Köpfe des Alltags (1928‒1931) fotografierte Helmar Lerski anonyme Arbeitslose, die er in einem Arbeitsamt in Berlin angetroffen hatte. Zwar charakterisiert er sie in den Bildunterschriften wie August Sander durch ihre Berufe, enthebt die Köpfe jedoch durch enge Bildausschnitte sämtlicher sozialer Kontexte. Durch die dramatische Beleuchtung verallgemeinert und überhöht, öffnet sie Lerski für eine humanistische und sozialistische Leseweise. Einem konservativen Berliner Kritiker war dies ein Dorn im Auge: Er bemängelte, dass das Gesicht einer Wäschefrau gar wie das einer Aristokratin aussehe.
Das Volksgesicht
Das Interesse an Physiognomie und „Typen“ manifestierte sich in den 1930er-Jahren zunächst in einer kulturkonservativen Heimatfotografie und in der Folge einer im Dienste des Nationalsozialismus stehenden Porträtfotografie. Erna Lendvai-Dircksen, Erich Retzlaff und Rudolf Koppitz nivellierten die Vielfältigkeit der Gesellschaft zu homogenen Gruppen, die sie vorwiegend in der ländlichen Bevölkerung fanden (bzw. konstruierten). Aufnahmen von Bäuerinnen und Bauern zeigen aus folkloristischen Blickwinkeln ein scheinbar „authentisches“ Gesicht, das visuell durch modernistische Bildmittel zustande kommt. Unterstützt von der Ideologie des austrofaschistischen Ständestaates legte Koppitz bis 1936 monumentale Close-ups des Bauernstandes vor, die sich nahtlos in die Ideologie des Nationalsozialismus einfügten. Retzlaff und Lendvai-Dircksen publizierten auflagenstarke Fotobücher mit propagandistischen Begleittexten, um den Porträtfotos so eine explizit rassisch-völkische Konnotation zu verleihen. Schilderte Lendvai-Dircksen 1937 den Bau der Reichsautobahn mittels Nahsichten von heroischen Arbeitern, schuf sie in ihrem Langzeitprojekt Das deutsche Volksgesicht eine über „Blut und Boden“ definierte Typologie des „germanischen Volkes“. Leni Riefenstahls Propagandafilm Triumph des Willens über den sechsten Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg im Jahr 1934 kennzeichnet eine verwandte Herangehensweise: Aus geringer Distanz filmte Riefenstahl die Gesichter von Angehörigen des Reicharbeitsdienstes beim Appell, wie sie ihre unterschiedlichen – deutschen – Herkunftsorte ausrufen.
Helmar Lerski: Jüdische Köpfe/Avodah
Helmar Lerski wanderte aufgrund des rapide an Boden gewinnenden Nationalsozialismus 1932 nach Palästina aus. Bereits im Jahr zuvor hatte er dort seine Serie Jüdische Köpfe zu fotografieren begonnen, für die er später auch arabische „Typen“ aufnahm. Die Arbeit wurde schließlich unter dem Titel Araber und Juden publiziert. Nach Lerski sollte das Projekt „in der Hauptsache das Antlitz des Judentums zeigen, und zwar den ‚ursprünglichen Typ‘“. In Auseinandersetzung mit dem damals populären Interesse an physiognomischen und anthropologischen Studien war auch Lerski von der Frage fasziniert, inwieweit sich soziale und kulturelle Identität über das Gesicht dokumentieren lässt. Lerskis Serie ist Antwort und Gegenentwurf zur Ideologie der Nationalsozialisten und ihrer diffamierenden Bildpropaganda: Seine Auffassung des Gesichts als eines durch Licht wandelbaren Rollenspiels zeigt die Vielfältigkeit seiner potenziellen Erscheinungsformen und verweigert sich so der reduktiven Fixierung eines vermeintlich „wahren“ Antlitzes.
In seiner Regiearbeit Avodah (Arbeit) übersetzte Helmar Lerski seine Lichttechnik in den Film. Produziert von der Zionistischen Weltorganisation, bewirbt der Film den Aufbau des Landes und die Suche nach Wasser, erhielt aber aufgrund seiner experimentellen Form und sozialistischen Ausrichtung nur einen eingeschränkten Vertrieb. Er wurde 1935 auf der Biennale in Venedig gezeigt, wo er mit Leni Riefenstahls Triumph des Willens lief. Trotz der ideologisch völlig konträren Kontexte wurden die beiden Filme damals wie heute hinsichtlich ihrer Struktur und Bildsprache verglichen, was zeigt, wie Riefenstahl Errungenschaften der Avantgarde für sich instrumentalisierte.
Ausgestellte KünstlerInnen:
Gertrud Arndt, Marta Astfalck-Vietz, Irene Bayer, Aenne Biermann, Erwin Blumenfeld, Max Burchartz, Suse Byk, Paul Citroen, Carl Theodor Dreyer, Andreas Feininger, Werner David Feist, Trude Fleischmann, Jozef Glogowski, Paul Edmund Hahn, Lotte Jacobi, Grit Kallin- Fischer,EdmundKesting, RudolfKoppitz,KurtKranz,GermaineKrull,ErnaLendvai-Dircksen, Helmar Lerski, László Moholy-Nagy, Lucia Moholy, Oskar Nerlinger, Erich Retzlaff, Hans Richter, Leni Riefenstahl, Franz Roh, Werner Rohde, Ilse Salberg, August Sander, Franz Xaver Setzer, Robert Siodmak, Anton Stankowski, Elfriede Stegemeyer, Edgar G. Ulmer, Umbo, Robert Wiene, Stanisław Ignacy Witkiewicz, Willy Zielke