Franz Hubmann. Künstlerporträts Die Schenkung Helmut Klewan
Franz Hubmann. Künstlerporträts
Die Schenkung Helmut Klewan
2. Juli bis 10. Oktober 2021
Die ALBERTINA widmet Franz Hubmann (1914–2007), einem der wichtigsten österreichischen Bildjournalisten der Nachkriegszeit, eine monografische Ausstellung. Sie konzentriert sich auf Hubmanns Künstlerporträts, die einen zentralen Teil seines Werkes bilden. Die gezeigten Arbeiten stammen aus der Sammlung des ehemaligen Galeristen Helmut Klewan. In ihren wesentlichen Zügen wird diese schrittweise als Schenkung in den Besitz der ALBERTINA übergehen.
Franz Hubmann wurde ab den 1950er-Jahren durch seine Reportagen bekannt. Als Hauptfotograf der 1954 gegründeten Kulturzeitschrift magnum prägte er das Erscheinungsbild dieses Magazins, für das er bis 1963 arbeitete, maßgeblich. In seinen einflussreichen Bildstrecken rückte er mit wachem Blick den Menschen ins Zentrum. Bis zu seinem Tod schuf er ein äußerst facettenreiches Œuvre, das nicht nur ein visuelles Zeugnis der Alltags-, Kultur- und Gesellschaftsgeschichte Österreichs ablegt, sondern in zahlreichen Porträt-, Architektur-, und Landschaftsaufnahmen auch den Blick über die Landesgrenzen richtet und sich ins kollektive Bildgedächtnis einprägte.
Der Fokus der Ausstellung ist auf Porträts von wegweisenden Künstlerinnen und Künstlern gerichtet, die Hubmann zwischen 1951 und 1999 anfertigte. Eng verbunden mit seinen Reportagefotografien sind auch Hubmanns Porträtaufnahmen aus dem Blickwinkel des Bildjournalisten gestaltet. Er suchte die Dargestellten in der Intimität ihrer Ateliers auf und lichtete sie inmitten ihres Arbeitsumfeldes ab. Einfühlsame Fotografien, in denen die Künstlerinnen und Künstler sich mit ihren Werken präsentieren, stehen neben Momentaufnahmen, die sie selbstvergessen zeigen. Picasso, Giacometti und Warhol hielt Hubmann ebenso in spontanen, unvermittelten Aufnahmen fest wie Lassnig, Rainer oder Kokoschka. In diesen Fotografien stellte er sein Gespür für aussagekräftige Augenblicke und sein Interesse am menschlichen Antlitz unter Beweis. Viele der fotografierten Persönlichkeiten sind mit ihren Arbeiten in der Sammlung der ALBERTINA vertreten.
Helmut Klewan (* 1943) eröffnete 1970 seine erste Galerie in Wien, ein zweiter Standort in München folgte bereits 1978. Als Teil der Wiener Kunst- und Kulturszene wurde der Galerist Wegbegleiter und Freund zahlreicher Künstlerinnen und Künstler und verhalf vielen von ihnen durch Ausstellungen in seiner Galerie zu größerer internationaler Präsenz. In Wien blieb der Galerist bis 1984 aktiv, die Galerie in München betrieb Helmut Klewan bis 1999. Seitdem tritt er als kenntnisreicher Sammler und Leihgeber in Erscheinung. In einer großzügigen Geste schenkt Helmut Klewan die in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten aus seiner hochkarätigen Sammlung der ALBERTINA.
Raum 1: Franz Hubmanns Porträtfotografie
Eng verbunden mit seinen Reportagefotografien, in denen schon früh der Mensch im Zentrum stand, sind auch Hubmanns Porträtaufnahmen aus dem Blickwinkel des Bildjournalisten gestaltet. Seine Porträts reichen von Aufnahmen, die er aus eigenem Antrieb heraus plante, über kommerzielle Aufträge bis hin zu Fotografien, die von den Dargestellten selbst initiiert wurden. Hubmann legte seine Bildnisse als Serien an, um durch verschiedene Aufnahmen ein facettenreiches Bild der dargestellten Personen zu vermitteln. Die Porträtfotografien bestechen durch ihre Spontaneität, große Unmittelbarkeit und das Festhalten aussagekräftiger Augenblicke. Hubmann greift in seinen Aufnahmen narrative Höhepunkte heraus und verzichtet auf Inszenierung sowie formalästhetische Experimente. Diese Charakteristika machen sie mit Künstlerporträts des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson vergleichbar, dessen Aufnahmen und Publikationen in den 1950er-Jahren höchst einflussreich waren. Die sichtbare Interaktion zwischen Fotograf und Modell ist ein weiteres herausragendes Merkmal von Hubmanns Porträtfotografien. Gerne verwickelte er die Porträtierten während der Aufnahme in Gespräche und konnte so in ungezwungener Atmosphäre die individuelle Körperhaltung, Gestik und Mimik einfangen. Über die Schilderung der spezifischen Atelierkontexte und durch die Kombination der Dargestellten mit ihren Werken betonte Hubmann die Identität der Porträtierten als Künstler.
Hubmanns Anfänge
Hubmann begann schon als Jugendlicher zu fotografieren und absolvierte von 1946 bis 1949 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Daran anschließend baute er die Bildstelle der österreichischen Fremdenverkehrswerbung auf, bevor er ab 1954 als Hauptfotograf das Redaktionsteam der Kulturzeitschrift magnum bereicherte. Vor allem in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre prägte er das Erscheinungsbild der bis 1966 bestehenden Zeitschrift maßgeblich und erarbeitete fotografisch zahlreiche Themen für die Hefte. Zu dieser Zeit erwarb er sich auch die Bezeichnung „Life-Fotograf“– worunter in den 1950er-Jahren Fotografen verstanden wurden, die humanistisch orientierte Reportagen erarbeiteten, für welche die bahnbrechenden Bildstrecken der amerikanischen Zeitschrift Life als Vorbild wirkten. Hubmanns Selbstporträt zeigt seine Auseinandersetzung mit dem Fotografen Man Ray, der im Paris der Zwischenkriegszeit die lebendige Kunstszene in berühmt gewordenen Porträts festhielt. Es ist aus Überblendungen und Spiegelungen im Fenster einer Man-Ray- Ausstellung in Paris aufgebaut.
Hubmann trifft Joseph Beuys
Franz Hubmann war auch als Architekturfotograf erfolgreich und arbeitete wiederholt mit dem Architekten Hans Hollein zusammen, um dessen Bauwerke zu fotografieren. Als 1982 Holleins spektakulärer Museumsneubau in Mönchengladbach fertiggestellt war, reiste Hubmann zur Eröffnung. Dort traf er auf Joseph Beuys, der während der Pressevorbesichtigung an einer Installation arbeitete, für die er rote Rosen in einem Klavier anordnete. Hubmanns Porträts entstanden aus geringer Distanz und geben neben ihrer Konzentration auf das Antlitz auch den Blick auf Beuys’ Werke im Hintergrund frei, über die er als Künstler charakterisiert wird.
Raum 2: Pariser Parnass
In den 1950er-Jahren reiste Franz Hubmann wiederholt nach Paris, das damals ein Zentrum der internationalen Kunstszene war. Besonders fruchtbar gestaltete sich für ihn das Jahr 1957, in dem er in der französischen Hauptstadt möglichst viele der noch lebenden Protagonisten fotografierte, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Kunstwelt revolutioniert hatten. Er bereitete sich akribisch auf die Begegnungen mit ihnen vor und wandte eine erfolgreiche Strategie an: Er stattete den Künstlern ohne Voranmeldung einen Besuch in ihren Ateliers ab, um sie in möglichst natürlichen Situationen und in ihrer alltäglichen Arbeitsumgebung fotografieren zu können. So entstanden ganz unterschiedliche Aufnahmen: Alberto Giacometti begegnete Hubmann beim Aufbruch aus dem Atelier – es blieben ihm nur wenige Augenblicke für die Fotografien, die zu Ikonen wurden. Andere, wie etwa Marc Chagall oder auch Jean Fautrier, nahmen sich mehr Zeit, sodass umfangreichere Aufnahmeserien entstanden.
Aus dem Bilderschatz dieser Atelierbesuche entstanden zwei umfangreiche Bildstrecken, die Hubmann 1958 als „Die Revolutionäre sind siebzig“ und „Die Erfinder der gegenstandslosen Welt“ in magnum veröffentlichte. Im Jahr darauf stellte er unter dem Titel „Pariser Parnass“ ausgewählte Künstlerporträts in der Wiener Galerie Würthle aus und verankerte so seine Aufnahmen im Kunstkontext.
Die Kulturzeitschrift magnum
Hubmann war einer der ersten ständigen Mitarbeiter der zweimonatlich erscheinenden Kulturzeitschrift magnum, die 1954 von dem Herausgeber Karl Pawek gegründet wurde. Herausragend waren der großflächige Einsatz moderner Fotografien sowie das auf visuellen Konsum angelegte Layout der Zeitschrift. Im Untertitel als „Zeitschrift für das moderne Leben“ bezeichnet, erhob magnum den Anspruch, den Zeitgeist und die Mentalität der Gegenwart zu beschreiben. Dieser näherte sich die Zeitschrift über die Bereiche Gesellschaft, Kunst und visuelle Kultur an. Viele von Hubmanns hier ausgestellten Künstlerporträts wurden in magnum das erste Mal veröffentlicht.
Raum 3: Zu Besuch bei Picasso
Pablo Picasso nutzte die Fotografie nicht nur für seine eigene künstlerische Arbeit, sondern auch zur Konstruktion seines medialen Images, das er in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fotografen etablierte. Geschickt setzte er sich in Szene, posierte in seinem Atelier sowie im Kreis seiner Familie und wurde über die Fotografie selbst zur Marke. Franz Hubmann gelang es 1957, Picasso in seiner Villa „La Californie“ in Cannes zu besuchen. Er verbrachte einen Nachmittag mit dem Künstler und fotografierte ihn sowohl umgeben von Gemälden in Innenräumen als auch zwischen seinen Skulpturen im Garten. In diesen Aufnahmen offenbart sich die routinierte Selbstinszenierung Picassos – nur jene Fotografien, die ihn im Gespräch mit seinem Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler zeigen, durchbrechen das Posieren. Die bei diesem Besuch entstandene Serie wurde in ihrem gesamten Umfang erstmals 1997 von Helmut Klewan veröffentlicht und stellt in ihrer narrativ angelegten Struktur ein lebhaftes Zeugnis von Picassos Umfeld dar.
Hubmann setzte bei seiner Arbeit mehrere Kameras ein und nahm parallel zu den Schwarz- Weiß-Aufnahmen auch Farbfotografien auf. Obwohl er seit Anfang der 1950er-Jahre verschiedenes Filmmaterial verwendete, blieb die Schwarz-Weiß-Fotografie sein bevorzugtes Ausdrucksmittel.
Raum 4: Lebhafte Interaktionen – Hans Arp, Max Ernst & Serge Charchoune
Hans Arp war 1916 eines der Gründungsmitglieder des Dadaismus in Zürich und schloss sich 1924 in Paris der Gruppe der Surrealisten an, der auch sein Freund Max Ernst angehörte. Mit diesem hatte er bereits 1919 eine DADA-Gruppe in Köln aufgebaut. Arp schuf Holzschnitte, Lithografien, Reliefs, Collagen, Assemblagen und war Dichter, die größte Bekanntheit erlangte er aber für seine Plastiken in charakteristischen biomorphen Formen. Hubmann traf Arp 1957 in Basel, wo der Künstler damals mit seiner Frau lebte. Es entstand eine Serie von Fotografien, die die Kommunikation zwischen Fotograf und Modell einfängt. Sie kulminiert in der Aufnahme von Arp, die ihn scherzend mit zwei Brillenpaaren inmitten seiner Arbeiten zeigt.
Hubmann fotografierte Max Ernst 1957 im Rahmen einer Ausstellungseröffnung in Paris und im selben Jahr auch in Serge Charchounes Pariser Atelier. Ernst kam zufällig auf Besuch, als Hubmann bei Charchoune war. Der Fotograf nutzte die Gelegenheit, den lebendigen Austausch zwischen den beiden Künstlern festzuhalten und fotografierte als aufmerksamer Beobachter unbemerkt aus dem Hintergrund. Hubmann beschrieb diese Art zu arbeiten als „auf Katzenpfoten fotografieren“.
Raum 5 & 6: Die Kunstszene in Wien
Franz Hubmann ist als Dokumentarist des Wiener Kulturgeschehens nicht wegzudenken. Er hielt die Kulturszene in ihren mannigfaltigen Facetten über Jahrzehnte hinweg fest. In seinen Arbeiten manifestiert sich wiederholt sein Zugang, die von ihm fotografierten Personen über ihr räumliches Umfeld zu charakterisieren. Ebenso zeigt sich die Breite an Entstehungskontexten seiner Künstlerporträts: Er fotografierte aus eigenem Interesse bei Ausstellungseröffnungen in Museen und Galerien und besuchte Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers. Einige der Aufnahmen der Wiener Kunstszene entstanden für Publikationen in Zeitschriften und Buchprojekten. Einige Künstlerinnen und Künstler wie etwa Christian Attersee, Maria Lassnig, Walter Pichler und Hans Staudacher fotografierte Hubmann Ende der 1990er-Jahre im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit Helmut Klewan auf dessen Wunsch. Darüber hinaus traten Künstlerinnen und Künstler auch immer wieder mit der Bitte um Porträtaufnahmen an Hubmann heran. Aus Freundschaften mit Künstlern – wie etwa mit Fritz Wotruba – gingen Aufnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten hervor. Im Laufe seines Lebens lichtete Hubmann verschiedene Generationen der österreichischen Kulturszene ab – von Josef Hoffmann und Alfred Kubin bis zu den jüngeren Vertretern der österreichischen Nachkriegsmoderne und darüber hinaus.
Oskar Kokoschka
Oskar Kokoschkas erste große Ausstellung nach dem 2. Weltkrieg fand 1955 in der Wiener Secession statt. Ein seltenes Doppelporträt zeigt Kokoschka mit Josef Hoffmann, der bei der Eröffnung von Kokoschkas Ausstellung anwesend war. Die gestenreichen Ausführungen Kokoschkas und seine ausdruckstarke Mimik gibt Hubmann in dynamischen Aufnahmen aus nächster Nähe wieder. So entsteht der Eindruck, selbst in der Menge zu stehen und den Moment mitzuerleben.
Hoffmann, einer der wichtigsten Architekten und Designer des österreichischen Jugendstils, war einer der Mitorganisatoren der Kunstschau 1908 gewesen, in der der damals 22-jährige Kokoschka das erste Mal Werke ausstellte. Sein Ausstellungsdebut zog große Aufmerksamkeit auf sich, von den Kritikern wurde Kokoschka damals als „Oberwildling“ bezeichnet.
Franz Ringel
Franz Ringel war Teil einer Kulturszene, die sich im Wiener Café Hawelka traf. Hubmann zählte schon in den 1950er-Jahren zu den regelmäßigen Besuchern des Kaffeehauses, in dem er sowohl die Kellner bei der Arbeit als auch Gäste fotografierte. Der gesamte Kosmos des Hawelka findet sich in Hubmanns Aufnahmen, die er bereits 1959 ausstellte, im Jahr darauf in magnum publizierte und 1982 in einem Bildband versammelte, für den auch diese Fotografie entstand.
Ausstellungsdaten
2. Juli – 10. Oktober 2021
Franz Hubmann und die Bildkultur der Nachkriegszeit in Österreich 10. September 2021 | 18.30 Uhr | Musensaal der ALBERTINA Kuratorin Dr.in Anna Hanreich im Gespräch mit
Dr.in Marion Krammer & Dr.in Margarethe Szeless, Gründerinnen von wesearch. agentur für geschichte und kommunikation
Albertinaplatz 1 | 1010 Wien T+43(01)534830 pwww.albertina.at
Täglich 10 – 18 Uhr